Verborgene Paradiese – eine Reise nach Guana Island in den British Virgin Islands
Wer zum ersten Mal mit dem Boot um das zerklüftete Nordkap von Tortola biegt und die Silhouette von Guana Island erblickt, spürt augenblicklich, dass hier etwas Außergewöhnliches beginnt. Das satte Türkis der See trifft auf einen Smaragdteppich aus tropischem Wald, der steil zum Himmel aufragt. Wellen rauschen über Riffe, die im Sonnenlicht wie versteckte Schätze aufblitzen, und der salzige Wind trägt einen Duft von Frangipani und wilder Orchidee herüber. Statt Motorenlärm empfängt einen nur das Zwitschern von Zuckervögeln. Alles an diesem Ort wirkt wie eine Einladung, den Alltag abzulegen und in eine Welt einzutauchen, die fast vergessen hat, dass es irgendwo Wolkenkratzer, Termine oder Staus gibt.
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Schon die geografische Lage klingt wie Poesie: Guana Island liegt östlich von Tortola im nördlichen Bogen der British Virgin Islands, eingebettet zwischen dem Sir-Francis-Drake-Kanal und der endlosen Weite des Atlantiks. Die Insel ist eine der wenigen privat besessenen Eilande des gesamten Archipels und verdankt ihren Namen der Silhouette eines Leguans, die sich bei tief stehender Sonne auf das Wasser zeichnet – ein hübscher Zufall, der perfekt zu ihrem heutigen Ruf als Zufluchtsort für bedrohte Tierarten passt. Mit rund 850 Acres unberührter Hügel, Täler und Mangrovenlagunen, sieben puderweißen Stränden und maximal 35 Gästen wirkt Guana Island wie der Gegenwurf zu riesigen All-Inclusive-Komplexen. Lediglich 18 Cottages und Villen verteilen sich diskret über die Westhänge; dazwischen bleibt dem Regenwald und seinen gefiederten wie geschuppten Bewohnern 99 Prozent der Fläche ganz für sich allein.
Anreise in die Abgeschiedenheit
Weil wahre Abgeschiedenheit selten an einer Autobahnausfahrt liegt, beginnt die Reise nach Guana Island mit einem kleinen Abenteuer. Von Europa aus fliegt man zunächst nach Antigua, St. Maarten oder San Juan; Direktverbindungen zum Terrance B. Lettsome International Airport auf Beef Island gibt es bisher nicht, weshalb ein kurzer Insel-Hop im Anschluss dazugehört. Die Flugpläne haben sich in den letzten Jahren spürbar verdichtet: Allein 2025 stehen laut FlightConnections zehn Airports mit Nonstop-Verbindungen nach Tortola auf der Karte – die bequemste Drehscheibe bleibt San Juan, von wo mehrere tägliche Propellermaschinen gen BVI starten. Kaum ist das Gepäck auf dem kleinen Steg abgestellt, wartet schon die hauseigene Motor-Yacht. Zehn Minuten dauert die Federbettweiche Überfahrt durchs glitzernde Laura-Kanal-Blau, während Pelikane pfeilartig ins Wasser schießen. Jede Welle, die sich gegen den schlanken Bug kräuselt, trägt einen hauchfeinen Sprühnebel herüber und legt sich kühl auf die Haut – als wolle die Karibik persönlich zusichern, dass Hitze hier nie drückend, sondern stets erfrischend bleibt.
Wenn das Boot an der Hauptpier von White Bay ausläuft, empfängt das kleine Resortteam seine Neuankömmlinge barfuß im Sand. Ein limettenfrischer Cocktail wechselt mühelos in eine ebenso frische Kokosnuss, während das Gepäck in Golfcarts verschwindet. Den kurzen Anstieg hinauf zur Veranda des Clubhauses – einst eine Quäkerplantage aus dem 18. Jahrhundert – begleitet das Gefühl, dass die Uhr plötzlich langsamer tickt.
Natur, die atmet
Von den Terrassen schweift der Blick über ein Stück Erde, das nahezu im Urzustand verharrt. Lehmpfade schlängeln sich durch Sea-Grape-Haine und Kakteenwälder zu Aussichtspunkten, an denen man mit etwas Glück Sturmtaucher beobachtet, die lautlos in den Aufwinden kreisen. Mehr als ein Dutzend markierter Trails durchziehen die 850 Acres, von sanften Morgen-Spaziergängen bis zu ambitionierten Gipfelrouten entlang der steilen Prince’s Peak-Flanke.
Die wahren Stars sind jedoch jene Geschöpfe, für die Guana Island zum Rettungsanker wurde. 1983 setzte ein Forschungsteam acht Stout Rock Iguanas aus und baute einen geschützten Brutkorridor; heute tummeln sich über 300 dieser urtümlichen Reptilien im Buschwerk. Nur wenige Schritte weiter erstreckt sich ein flacher Salzsee, in dessen rosigem Spiegel sich seit den Neunzigerjahren immer wieder Eleganz in Pink spiegelt: Damals wurden die ersten Flamingos ausgewildert, deren Nachfahren mittlerweile regelmäßig über die Lagune stolzieren. Auch unter Wasser liefert die Insel eine Farbsinfonie. Kajaks gleiten vorbei an Korallenblöcken, in denen Papageifische wie neongrüne Pinselstriche flirren. Beim Schnorcheln am Riffsaum von Monkey Point begegnet man Elkhorn- und Brain-Corals, jungen Karettschildkröten und mit etwas Glück sogar einem vorbeiziehenden Adlerrochen. Die Bucht bleibt geschützt, Strom ist kaum spürbar, sodass selbst Einsteiger gefahrlos hineingleiten können.
Luxus der leisen Töne
Wer nach Glanzlichtern sucht, entdeckt sie hier nicht in schweren Kronleuchtern, sondern in Momenten. Die von Terrakotta umrahmten Cottages öffnen sich mit Doppelflügeln auf private Decks; Fernseher sucht man vergebens, dafür hört man nachts die Brandung. Frisch gebügelte Bettwäsche duftet nach der Sonne, in der sie getrocknet wurde – doch wahre Grandezza steckt im atemberaubenden Ausblick über White Bay, in dem Himmel und Meer ohne sichtbare Naht verschmelzen.
Kulinarik beginnt schon am Morgen in der eigenen Bio-Obstplantage. Mangos, Soursop, Passionsfrüchte und Basilikum wachsen wenige Schritte vom Küchenpass entfernt; die Köche pflücken, was gerade reif ist, und verwandeln es in Carpaccio mit Zitronenthymian, in kühle Sorbets oder in eine Salsa, die gegrillten Lobster in Karibikfeuer taucht. Die Weinkarte überrascht mit elegant gekühlten Rieslingen – ein Gruß an Gäste aus Deutschland –, während der Barkeep seinen Rum-Old-Fashioned mit hausgemachtem Kokosbitters abrundet. Das Freizeitprogramm liest sich wie eine Ode an die Mühelosigkeit. Tennisplätze kauern unter Mahagonis, Paddle-Boards liegen am Strand in Reichweite, und wer mag, segelt mit der Crew zu den Baths von Virgin Gorda oder wirft nahe Great Camanoe eine Angel nach Mahi Mahi aus. Abendliche Strandkinos und Sterne-Guidings runden Tage ab, die sich wie Ferienlager für Erwachsene anfühlen – nur mit Champagner zum S‘mores-Feuer.
Nachhaltigkeit und Zukunft
Dass Guana Island heute als Vorzeigeprojekt für Erhalt und Forschung gilt, ist kein Zufall, sondern Ergebnis jahrzehntelanger Initiative. Jedes Jahr koordinieren Biologen der National Parks Trust Territorien-weite Flamingo-Zählungen, um den Bestand zu sichern; 2023 zählte man mehr als 50 Individuen, die regelmäßig zwischen Anegada und Guana Island pendeln. Die Salzlagune fungiert dabei als lebendes Labor, in dem Salinität und Nährstoffe überwacht werden, um Brutbedingungen optimal zu halten. Herausforderungen blieben dennoch nicht aus. Die Wirbelstürme Irma und Maria zogen 2017 über den Archipel und rissen Dächer fort. Doch schon im August 2018 öffnete das Resort wieder seine Pforten; neue Gewächshäuser ersetzten zerstörte, und ein robustes Solar-Hybrid-System liefert inzwischen saubere Energie. Während andernorts Hotelgiganten nur schleppend renovierten, demonstrierte Guana Island, dass Luxus und Resilienz durchaus ein Paar sein können. So blickt die Insel heute gelassen Richtung Zukunft: Ein Meeresbiologie-Programm für Gäste soll 2026 starten, bei dem Korallenfragmente auf künstlichen Riffen angesiedelt werden. Gleichzeitig erweitert die Eigentümerfamilie ihr Stipendienprogramm, über das BVI-Schülerinnen und Schüler auf Universitäten Auslandserfahrung sammeln. Zwischen Rosé-Sundownern und Vollmond-Yoga erwächst damit ein Mosaik, das ökologisches Bewusstsein, Gemeinwohl und Genuss gleichsam hochhält.Wer nach einem Ferienziel sucht, das Herzklopfen hervorruft, ohne dabei Herzrasen zu verursachen, der findet in Guana Island eine stille Offenbarung. Hier mischen sich das Flattern eines Kolibris, das Lachen weit entfernter Jollensegler und das rhythmische Schlagen der eigenen Schritte im Sand zu einer Melodie, die man lange im Ohr behält – vielleicht sogar ein Leben lang. Und während die Sonne hinter Tortolas Hügelkette versinkt und die Palmen schwarz gegen das glühende Orange zeichnet, gibt es nur einen logischen Gedanken: Bald zurückzukehren.
Denn manche Orte auf dieser Welt sind zu kostbar, um sie nur einmal zu sehen. Guana Island ist einer davon – ein Fleckchen Erde, an dem Natur, Luxus und Seele einen Pakt geschlossen haben, den jede Besucherin und jeder Besucher mit jedem Atemzug spürt.